Den Panzer fallen lassen – ein Plädoyer für Zen

Der Zen Weg hat mich gelehrt, Schülerin des Lebens zu sein. Ein Studium, das nicht aufhört, weil mir jeder Augenblick zum Lehrer wird. Jeder schöne Moment ebenso wie die unangenehmen Augenblicke.
Denn Zen hat nicht nur damit zu tun, dass ich auf meinem Meditationskissen praktiziere, sondern dass ich mich in meinem Alltag bewehre, Augenblick für Augenblick.

Dort wo uns das Leben hingestellt hat, dort ist unsere Aufgabe zu wirken, im Rundherum mit all seinen Umständen. Zen lehrte mich, den Panzer loszulassen und vollkommen durchlässig zu werden für den Schmerz. So dass ich mit nackten Füßen da stehe und damit empfindsam und verletzbar bin. Mit unbedeckten Füßen spüre ich meinen Untergrund, ich nehme wahr, worauf ich steige. Das Leben bringt uns immer Schmerz. Niemand von uns ist vor Verletzungen sicher. Das zeigt uns die jetzige Situation mit dem Corona Virus ganz deutlich, der uns mit voller Wucht erwischt hat. Es gibt kein Leben ohne Verlust oder Enttäuschungen. Die Kunst des Lebens besteht darin, den Schmerz der Veränderung anzunehmen. Es geht darum, ihm nicht ausweichen zu wollen oder Widerstand entgegen zu bringen, sondern unseren Panzer fallen zu lassen. Sonst wird der Schmerz noch größer. Das Korsett schützt uns nur vermeintlich vor all dem Leid. Vielmehr müssen wir offen sein, für das was geschieht. Damit ist nicht gemeint, dass wir resignieren, nein, sondern dass wir mitten durch das Unheil hindurch gehen. Indem wir das Leben mit all seinen Facetten annehmen, es zulassen, verwandelt es sich. Dann wird es leichter, weil wir den Moment wahrnehmen, so wie er ist.

Ohne Panzer entblößt, und mit nackten Füßen dazustehen, macht uns empfindsam für das was rund um uns geschieht. Schutzlos wie ich dann bin, ist es mir möglich, Verbindung im Außen aufzunehmen. Nicht im Schneckenhaus zu sitzen, sondern zu spüren, dass ich verbunden bin mit allem. Dass der Schmerz da draußen in Wahrheit auch mein Schmerz ist und dass die Freude auch meine Freude ist. Zen führt uns mitten in das Leben hinein. Es ist harte Arbeit, um verletzbar zu werden – das üben wir im Zen. Dabei geht es um kein Konzept, sondern um die direkte Erfahrung, die aus dem regelmäßigen Praktizieren entspringt. Der Körper erlebt, er erfährt, dass der Schmerz kommt und sich wieder auflöst. Zen ermöglicht uns selbst kennen zu lernen. Indem wir immer wieder ohne Panzer in das Bodenlose springen und dem Augenblick vertrauen. In jedem Moment können wir die Fülle erleben.

Als Panzerträger glauben wir beschützt zu sein, aber in Wahrheit verletzen wir uns dabei und merken es nicht einmal. Im Panzer spüren wir gar nicht mehr, was wir selber brauchen, weil uns nicht nur die Verbindung nach außen, sondern auch nach innen verloren gegangen ist. Die verlorene Verbindung zu der Welt zeigt sich, dass wir nicht mehr wahrnehmen können, was unsere Tiere, unsere Pflanzen und unsere Mitmenschen brauchen. Vielmehr haben wir Konzepte entwickelt, hinter die nur unser Verstand und nicht unser Herz steht. Allein die Tatsache, dass wir Hilfe vom Ausland brauchen, die unsere ältere Generation betreut, zeigt von unserem Herz-befreiten Konzept. Haben wir uns schon gefragt, welche Gefühle so eine Betreuung bei den Betroffenen hinterlässt? Solche Konzepte gibt es unzählige. Es beraubt uns in Wirklichkeit der eigenen kostbaren Erfahrung, Würde hinterlassen zu können. Bei Liebe und Hingabe an das Leben, geht es nie um ein um-zu, sondern darum den Weg selbst zu erleben ohne Belohnung. Die Liebe trägt die unendliche Kraft schon in sich.

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